Von den Türmen zum Atlantik (01. - 16.03.2018)
In Punta Arenas haben wir wieder amerikanisches Festland erreicht. Die Stadt hat einige koloniale Bauten, die wir uns kurz ansehen, bevor wir uns ein erstes Mal den kulinarischen Köstlichkeiten der Mesita Grande hingeben. Dazu aber später mehr. Etwas im Norden der Stadt finden wir einen tollen Übernachtungsplatz und geniessen noch einmal den freien Blick auf die Magellanstrasse hinüber nach Feuerland.
Ein Ausflug bringt uns nach Süden. Bei super Wetter treiben wir einen Regenbogen vor uns her. Von der Strasse aus sehen wir Delphine im Wasser springen und folgen ihnen ein Stück weit. Ein seltsames Monument weckt unsere Aufmerksamkeit, es markiert das geografische Zentrum Chiles. Hier, wo in einigen Kilometern das Strassennetz des amerikanischen Kontinentes endet, sollen wir in der Mitte Chiles stehen? Natürlich! Chile zählt einen Teil der Antarktis zu ihrem Territorium. Von hier zum Südpol ist es genau gleich weit, wie an die peruanische Grenze nach Norden, wo wir vor 3 Monaten noch waren. Somit hat auch dieses Monument seine Berechtigung.
Wechselhaftes Wetter mit eindrücklichen Regenbogen begleiten uns über die langweilige Strecke nach Puerto Natales. Nadine hat Geburtstag! Wir richten uns in einem Hostel mit tollen Zimmern und gutem Frühstück ein. Ein Restaurant mit grosser "Parilla" (Grill) und wieder ein Abstecher in die örtliche Filiale der Mesita Grande sind genau das Richtige um die Schlechtwetterfront durchziehen zu lassen. Puerto Natales ist DER Ausgangsort für Ausflüge in den Nationalpark Torres del Paine. Da wollen wir natürlich auch hin. Vorher füllen wir unsere Vorräte auf. Der Supermarkt öffnet erst um 11 Uhr und ist innerhalb von Minuten schon überfüllt. So müssen wir wieder fast eine halbe Stunde an den Kassen anstehen. Dann geht es aber los.
Beim Lago Sarmiento haben wir ein erstes Mal einen tollen Blick auf die Torres über den stahlblauen See hinein. Wir haben Glück, die Felsentürme so offen zu sehen. Kurz drauf kreist sogar einen Kondor über unseren Köpfen. Der Eintritt in den Park ist teuer. Wir lassen umgerechnet über 35 Franken pro Person liegen. Immerhin dürfen wir auf 4 Parkplätzen im Park gratis übernachten und werden nicht so grausam abgezockt, wie die anderen Besucher. Da wir für eine Wanderung etwas spät dran sind, fahren wir gleich zum Wasserfall Salto Grande. Die Wassermassen sind gewaltig, der Wind allerdings auch. Der kurze Spaziergang ist mehr ein Kampf gegen den stürmischen Wind, als ein Genuss. Auch die Nacht ist stürmisch. Wir schlafen wenig, harren aber im schwankenden Hubdach aus.
Nadine verzichtet auf die Wanderung hoch zu den Torres. Nach der fast schlaflosen Nacht und bei dem anhaltend starken Wind, zieht sie es vor auszuruhen. Sergio ist rechtzeitig unterwegs, bevor um 9 Uhr alle Tourbusse aus Puerto Natales eintreffen. Auf den ersten Kilometern gilt es, die grosszügige Hotelanlage zu durchqueren. Die Wanderung führt dann durch Grasland, Wald und am Schluss noch einmal steil über einen Felssturz hinauf zum Mirador de los Torres. Die Felsentürme zeigen sich hinter dem Bergsee in ihrer vollen Pracht, auch wenn der Himmel wolkenverhangen ist. Der Wind fegt über die Felsen und nach einem kurzen Picknick geht es schon wieder talwärts. Der "Gegenverkehr" auf dem Wanderweg ist nun beträchtlich. Viele Leute sind hier auf Mehrtageswanderungen unterwegs und tragen einiges an Last mit. Eine zierliche Backpackerin wird mit ihrem schweren Rucksack von einer Windböe erfasst und einige Meter weiter zu Boden geschmettert. Autsch! Ausser einem Schrecken ist aber zum Glück nichts passiert. Nach 7 Stunden ist Sergio zurück im Tal und wir geniessen unser tägliches Apéro im Windschatten. Rhino können wir diese Nacht hinter ein paar Bäumen stellen. Es kostet uns zwar 15'000 Pesos (ca. 25 Franken), was tut man aber nicht alles, für ein paar Stunden Schlaf. Rhino kommt im Park übrigens noch zu einem Jubiläum. Die Kilometeranzeige am Armaturenbrett zeigt 100'000 km an!
Schon am Abend und auch in der Nacht scheint es uns sehr warm zu sein. Beim Blick aufs Thermometer am Morgen früh staunen wir: 23 Grad Celsius! Das ist wohl eher die Ausnahme in dieser Region. Aber es ist auch hier wie überall: Auf eine Warmfront folgt eine Kaltfront und die ist heftig. Es regnet den ganzen Tag in Strömen. Wir fahren etwas durch den Nationalpark, beobachten Flamingos in einer Lagune und trinken unseren wohl teuersten Cappuccino der ganzen Reise am Lago Grey. Die schwimmenden Eisberge im See sehen wir leider nicht, zu dick ist der Nebel. Auf eine Wanderung haben wir bei dem Wetter keine Lust und wir fahren auf direktem Weg zurück nach Puerto Natales. Das liegt eigentlich nicht am Weg, wir wollen nämlich rüber nach Argentinien und zur Atlantikküste. Aber wir müssen unbedingt noch einmal ins "Mesita Grande". Dort gibt es die beste Pizza, die wir seit 2 Jahren gegessen haben. Da scheuen wir die fast 200 km Umweg nicht! Ganz besonders schmeckt uns auch das spezielle Dessert. Auf feinstem Pizzateig wird ein Apfel geraffelt, etwas Nüsse und Zimt dazugegeben. Nach dem Aufenthalt im Ofen, kommt Vanilleglacé obendrauf. Das ganze nennt sich Pizzastrudel uns ist einfach lecker!
Unsere letzten chilenischen Pesos investieren wir in Diesel. Nach insgesamt 60 Tagen in diesem schönen Land sagen wir "Hasta luego!". Besonders Nadine hat Chile in ihr Herz geschlossen. Wir wussten wenig über dieses Land und es hat uns mit seiner Vielfalt sehr positiv überrascht. Nun geht es aber ein weiteres Mal nach Argentinien. Der Grenzübergang bei Casas Viejas ist rasch erledigt (Details hier) und schon fahren wir quer durch die argentinische Pampa, vorbei an unzähligen Nandus, Guanacos und Schaf-Estancias an die Atlantikküste.
Nach 2 Fahrtagen erreichen wir den Nationalpark Monte Leon. Hier lebt eine grosse Kolonie von Magellan Pinguinen. Die Paarungs-Saison ist zwar schon fast vorbei. Der Nachwuchs und viele ausgewachsene Tiere sind für mehrere Monate im grossen weiten Meer verschwunden. Trotzdem sind noch einige Pinguine da, die wir beobachten. Am Abend stehen wir an einem Fluss. Regen setzt ein und der Flusspegel beginnt zu steigen. Sicherheitshalber ziehen wir auf einen Damm um und können so ruhig schlafen. Am Morgen ist es kühl und ein eisiger Wind zwingt uns, rasch zusammen zu packen. Bei San Julián biegen wir ab auf den Circuito Costero. Wir sind froh um die Abwechslung zur langweiligen Ruta 3 nach Norden. Wir besuchen hier viele Buchten und Klippen. Aus nächster Nähe beobachten wir Seelöwen und verschiedene Kormorane. Zum ersten Mal entdecken wir den Buntkormoran. Die Vögel haben ein schwarz-grau-weisses Federkleid und knallrote Füsse. Auffällig sind die lustig verzierten Augen. Es ist Brutzeit und vor jedem Nest in den Klippen sitzt ein Kormoran und passt schön auf den Nachwuchs auf, während der Partner im Meer nach Futter fischt. Hinter einer Klippe finden wir einen geschützten Übernachtungsplatz direkt am Strand und erhalten heute Besuch von einem vorbeischwimmenden Pinguin.
Die grossen Tankstellen an der Ruta 3 bieten uns eine gute Infrastruktur. Wir nutzen heute die gratis Dusche, WIFI und erhalten sogar einen guten Kaffee im Restaurant. Ein weiter Abstecher über eine Piste führt uns zum Monumento Nacional Bosque Petrificado. Aus der flachen Pampa tauchen wir ein in eine hügelige Halbwüste mit vielen farbigen Gesteinen. Versteinerte Bäume hatten wir in den USA schon besucht und unsere Erwartungen sind nicht so gross. Wir sind aber überwältigt. Hier liegen wirklich riesige versteinerte Bäume in der Landschaft und überall liegen auch kleinere und grössere Teile der Bäume herum. Die engagierte Guardaparque erklärt uns den Prozess der Versteinerung über die letzten 150 Millionen Jahre. Einmal mehr lernen wir viel Neues dazu.
Bei Puerto Deseado drückt die Flut das Meerwasser bis 40 Kilometer flussaufwärts. Dieses Gebiet steht unter Naturschutz und bietet Vögeln ein risiges Brutgebiet. Wir fahren dem Ufer entlang, beobachten Seelöwen, Magellan-Pinguine, Kormorane und viele andere Vögel. In einer einsamen Bucht schlagen wir unser Nachtlager auf. Die Playa Escondida trägt hier ihren Namen zu Recht.
Auch kurz vor Caleta Olivia treffen wir wieder auf eine riesige Kolonie von Seelöwen. Die Bullen verteidigen ihr Harem vor den Konkurrenten, die Weibchen ruhen sich vom Fischen aus und die Jungen spielen im Wasser. Immer wieder springen sie aus den Wellen hoch, als wollten sie uns mit ihren Kunststücken beeindrucken. Einige Kilometer weiter warten dann leider keine tollen Tiere auf uns, sondern Menschen, die offenbar unzufrieden mit ihrer Arbeitssituation sind. Das Gebiet in dieser Region ist geprägt von Ölfeldern. Die Gewerkschaften sind mächtig und rufen immer wieder zu Streiks auf. Dabei wird nicht einfach nur die Arbeit niedergelegt, sondern auch gerne mal die öffentliche Ordnung gestört. Heute wird zum Instrument Strassenblockade gegriffen. Schon von Weitem sehen wir, wie sich die Lastwagen stauen. Wir fahren keck an der Kolonne vorbei, müssen dann aber umdrehen. Die Strasse wird von mehreren querstehenden Lastwagen, Reifen und vermummten Männern blockiert. Auch über einen Umweg gelangen wir wieder in eine Sperre. Als wir dann schwarzen Rauch an den Blockaden aufsteigen sehen, fahren wir einige Kilometer zurück und übernachten an einem einsamen Küstenabschnitt, versteckt hinter Klippen. Ein Regenbogen draussen auf dem Atlantik bringt uns schnell auf andere Gedanken und am nächsten Morgen ist der Spuk vorbei. Ein Grossaufgebot der Gendarmeria steht am Ort des Geschehens und die Bomberos sind damit beschäftigt, die verbrannten Überreste der Pneus von der Strasse zu schaffen. Ob die ganze Aktion irgend jemandem hilft, bleibt mehr als fraglich.
Comodoro Rivadavia ist die grösste Stadt der Provinz Chubut. Alles dreht sich um Erdöl und die grosse Treibstofffirma YPF. Uns dient die Stadt nur als Versorgungsstopp. Wir wollen möglichst schnell raus und weiter nach Norden. Hatten wir uns wegen dem patagonischen Wind schon beklagt? Was wir auf den nächsten 100 Kilometern erleben, toppt noch einmal alles. Sergio hat grösste Mühe unseren Rhino auf der Fahrbahn zu halten. Der Wind von vorne links drückt uns fast von der Strasse. Jeder entgegenkommende Lastwagen bedeutet einen zusätzlichen Schlenker, um Rhino in der Windböe aufzufangen. Sogar die Nandus und Guanacos haben sich heute irgendwohin verkrochen. Als ein mit Holzpaletten vollbeladener Lastwagen im Slalom und Schieflage knapp an uns vorbeischlittert, haben wir genug. Wir halten an, Nadine greift nach der Strassenkarte und sucht eine Alternative. Zurück in die hässliche Stadt wollen wir nicht und eine Ausweichroute ist leider nicht auszumachen. Die Ruta 3 werden wir wohl definitiv nicht in unser Herz schliessen. So ziehen wir mit voller Konzentration weiter und biegen wie geplant nach Camarones ab. Die Strasse an die Küste hinaus ist wieder mehr nach unserem Gusto. Mit Rückenwind fährt es sich gemütlicher. In Camarones selbst weht nur noch ein laues Lüftchen und wir machen es uns auf dem kommunalen Campingplatz bequem.
In Mexico heissen sie "Vulcanizadora", in anderen lateinamerikanischen Ländern "Llanteras" und hier in Argentinien nennt man sie "Gomeria". Alle machen sie das gleiche, nämlich Reifen flicken. Wir haben unseren ersten platten Reifen auf der Reise und steuern gegen zehn Uhr die erst beste Gomeria in Camarones an. Don Antonio macht seine Arbeit gut. Natürlich darf die Einladung zur Mate-Runde zu so früher Stunde hier in Patagonien nicht fehlen. Trotz Gemütlichkeit sind wir nach einer Stunde schon wieder unterwegs. Noch einmal wollen wir zu Magellan Pinguinen und finden sie am Cabo Dos Bahias. Hier kommen wir ganz nahe an die Tiere heran, auch wenn nur noch wenige an Land ausharren. Bald sind sie alle verschwunden und kommen erst im Oktober für die Paarungssaison wieder zurück.
Die unbefestigte Küstenstrasse Ruta 1 ist eine willkommene Abwechslung zur langweiligen Ruta 3 in Richtung Norden. Wir haben auf Seeelefanten am Strand gehofft, diese zeigen sich uns aber nicht. Nach 2 Tagen Fahrt erreichen wir den Zugang zur der Peninsula Valdés und übernachten an einem Traum-Platz im Naturpark El Doradillo. Wir haben den kilometerlangen Strand für uns alleine. Es ist endlich wärmer, der Wind ist für einmal gnädig und ein paar Seelöwen schauen auf das Apéro kurz vorbei.
Je nach Jahreszeit kann man auf der Peninsula Valdés verschiedene Tiere beobachten. Grossandrang herrscht jeweils zur Wal-Saison im Frühling. Jetzt ist es ruhiger und trotzdem haben wir Chancen auf ein absolutes Highlight. Dies ist die einzige Küste auf der Welt, an der Orcas auch an Land Jagd auf ihre Beute machen. Sie lassen sich mit einer Flutwelle an Land schwemmen, schnappen sich ein Seelöwenbaby und sind mit der nächsten Welle wieder weg. Die Seelöwen mit ihren Babys wären da, aber leider haben wir kein Glück. Die letzten Orcas wurden vor fast einem Monat gesichtet und auch bei unserem Aufenthalt zeigen sich die grössten Delphine nicht. Pech gehabt. Dafür entdecken wir endlich Seeelefanten, welche wir zum ersten Mal sehen. Die Bullen mit ihren markanten Rüssel sind zwar nicht zugegen, aber trotzdem sind wir um eine grosse Tiererfahrung reicher.
Noch einmal übernachten wir an unserem Traumstrand und wollen dann die Atlantikküste verlassen. Die letzten Wochen waren anstrengend. Zum einen haben wir auf der ganzen Reise in so kurzer Zeit noch nie so viele Kilometer zurückgelegt, zum Anderen war die Recherchearbeit für einen windgeschützten Übernachtungsplatz immer eine Herkulesaufgabe. Die Erlebnisse mit den Meerestieren machen die Strapazen aber mehr als wett und wir möchten auch diesen Abschnitt unserer Reise nicht missen. Nun zieht es uns aber wieder in die Anden. Das ist definitiv mehr unsere Welt.
publiziert am 23.03.2018